Haushaltsrede 2023 der CDU Fraktion (Franz Hirschle)
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
die Coronakrise hat unsere Gesellschaft, Wirtschaft, ja unser gewohntes Leben in den Jahren 2020-2022 vor nie da gewesene Herausforderungen seit dem Ende des 2. Weltkrieges gestellt. Selbstverständlich haben wir dies auch hier vor Ort und in der kommunalen Verwaltung deutlich gespürt.
Liebgewordene Gewohnheiten, Förderungen von sozialen und wirtschaftlichen Projekten mussten gestoppt oder verschoben werden. Durch die weltweiten wirtschaftlichen Verflechtungen kam es
erstmalig nach vielen Jahrzehnten zu spürbaren Lieferengpässen für unsere Bürger aber natürlich auch für das Gewerbe und die Industrie mit bis zum heutigen Tage in vielen Betrieben negativen
Auswirkungen.
Leider hat dies auch nicht jedes Unternehmen geschafft. Wir sind hier noch nicht am Ende angelangt, das macht mir insbesondere für unsere Stadt auch im Hinblick für die vielen vom Welthandel abhängigen Jobs große Sorgen. Aus dieser Erfahrung müssen wir alle schnell lernen, jeder an seinem Arbeitsplatz, in der Familie in der Gesellschaft allgemein.
Vor allem die derzeit politisch motivierte und nicht immer wissenschafts- und faktenbasierte wirtschaftliche und energetisch Transformation wird uns noch vor große Probleme stellen.
Stichworte sind Dekarbonisierung, Energiesicherheit und -beschaffung, Nachhaltigkeit.
Also ob uns diese Krisen nicht gereicht hätten, beginnt Russland einen erbarmungslosen völkerrechtswidrigen Krieg gegen das Nachbarland die Ukraine.
Auch dieser Krieg hat deutlich Auswirkungen für uns ganz konkret vor Ort. Die aufkommende Flüchtlingskrise mit über 1,5 Millionen Flüchtlingen nach Deutschland ist auch in Singen und im Landkreis spürbar angekommen.
Danken möchte ich allen Helfern und Spendern für die Unterstützung unserer Partnerschaftsstadt Kobeljaki in der Ostukraine. Viele Flüchtlinge konnten hier in Familien aufgenommen werden,
auch dafür recht herzlichen Dank. Ein großer Teil musste in den kreiseigenen Sportstätten untergebracht werden, wir kannten das ja aus den Jahren 2015/2016, der letzten Flüchtlingswelle.
Dem Landkreis als verantwortliche Institution blieb leider keine andere Möglichkeit. Ich darf an dieser Stelle nochmals an unsere Resolution von geflüchteten Personen aus der Ukraine und von Asylbewerbern vom 27.09.2022 erinnern. Mittlerweile haben die Kommunen ihre Kapazitätsgrenze erreicht.
Lassen Sie mich noch auf weitere wichtige Themen der Stadt, insbesondere auch der Pflichtaufgaben eingehen. Themen wie innere Sicherheit und Ordnung, Migration und notwendige gelingende Integration, ambulante und stationäre Gesundheitsversorgung, Schulen und Kindertageseinrichtungen, Energieversorgung und Planung einer Transformation zu mehr erneuerbaren Energieformen, Handel und Industrie, Fachkräftemangel, Kultur und Tourismus.
Innere Sicherheit und Ordnung
Wir kennen alle die Probleme in den Innenstädten und die vorgefallenen Ausschreitungen auch bei uns mit teils für die Beteiligten lebensgefährlichen Verletzungen. Für die betroffenen Personen wurden Aufenthaltsbeschränkungen in der Innenstadt ausgesprochen, das war richtig und wichtig.
Die Täterprofile und die Motive sind uns allen bekannt und müssen klar benannt und sanktioniert werden. Nur durch eine gelingende Integration und Einbindung in unsere Gesellschaft können solche verwerflichen Taten verhindert werden. Die Stadt Singen leistet hier mit der Integrationsstelle und einem ganzen Team seit Jahren eine hervorragende Arbeit. Die CDU-Fraktion hat in einem Antrag im Gemeinderat einen Antrag zur Videoüberwachung an vulnerablen Stellen in der Innenstadt gestellt. Leider ist dies bisher nicht möglich durch entsprechende Vorgaben vom Land. Ich möchte an dieser Stelle heute nochmals betonen, dass wir weiterhin daran festhalten. Wir haben es erst kürzlich wieder an Silvester gesehen, was passiert, wenn vor allem junge Männer unsere Lebensweise und Werte nicht teilen und in Parallelgesellschaften leben. Das ist heute kein Phänomen von Großstädten mehr, das Problem der teils bisher missglückten Integration ist auch bei uns vor Ort angekommen. Wir müssen hier als Stadt und Bürger mit Argusaugen die Situation beobachten. Es geht hier nicht um einen Generalverdacht, sondern um die Identifikation vulnerabler Gruppen.
Ambulante und stationäre Gesundheitsversorgung
Sie alle haben den Beschluss in der letzten Woche mitbekommen, dass das Krankenhaus in Radolfzell zum 30.06. 23 geschlossen werden soll. Technische und wirtschaftliche Probleme aber auch der eklatante Personalmangel haben letztlich zu diesem Entschluss geführt. An den beiden Standorten Singen und Konstanz haben wir ebenfalls massive Personalprobleme mit der Notwendigkeit von Bettenschließungen. Dies wiederum wird in der Zukunft zu weiteren massiven Finanzlücken im Gesundheitsverbund führen, die wir auch als Stadt mit der Kreisumlage mittragen müssen. Wir favorisieren weiterhin eine kommunale Trägerschaft des Gesundheitsverbundes. Jedoch muss hier auch dringend vom Land und Bund gegengesteuert werden, sonst ist dies auch bei bestem Willen nicht möglich die Kliniken in der bisherigen Gesellschaftsform fortzuführen. Den Standort für einen eventuellen Neubau eines Klinikums sehen wir ganz klar in der Raumschaft von Singen als zentraler Versorger des westlichen und mittleren Landkreises. Die ambulante medizinische Versorgung ist in der Zwischenzeit ebenfalls an seine Grenzen gestoßen. Bereits jetzt schon fehlen im Mittelbereich Singen 13-15 hausärztliche Arztpraxen. Eine wohnortnahe ambulante medizinische Versorgung der Bevölkerung schaffen wir nur, in dem sich auch die Stadt mit Nachdruck für die Etablierung eines medizinischen Versorgungszentrums in Singen einsetzt.
Bildungstandort
Bildung ist ein wichtiges Gut. Hier muss dafür gesorgt werden, dass für alle Schichten der Bevölkerung ein funktionierendes Angebot zur Verfügung steht. Die Stadt Singen ist auch als Schulstadt bekannt. Als Schulträger haben wir eine große Verantwortung für die Ausstattung der Schulen. Die Digitalisierung ist hier ein wichtiges Thema aber auch die bauliche Ausstattung. Recherchen zeigen auf, dass ca. 70 % der Schulen in Deutschland vor 1970 gebaut wurden. Das zeigt uns auch als Stadt und Schulträger, dass in den kommenden Jahren
riesige Investitionen anstehen, obwohl wir in den vergangenen Jahren bereits etliche Millionen investiert haben. Trotzdem müssen wir Rücklagen bilden und Fördergelder einholen. Das Gleiche gilt für unsere Kindertageseinrichtungen. Hier haben wir es mit einem Fachkräftemangel zu tun, der uns zu Schließungen von Gruppen zwingt. Wir sehen Neubauten ohne qualifiziertes Personal
kritisch. Hier müssen dringend neue Modelle der Kinderbetreuung angedacht werden, sonst werden wir dem Rechtsanspruch nicht mehr gerecht werden.
Energieversorgung
Durch den Ukraine-Krieg und die ausbleiben Gaslieferungen aus Russland ist es zu deutlichen Verteuerungen der Energie für jeden Bürger aber auch für die Kommune gekommen. Einsparungen wurden und werden vorgenommen. Dies alleine wird uns mittelfristig nicht ausreichen. Hier finden wir es richtig, dass die Stadt auf allen möglichen städtischen Gebäuden eine PV-Anlage plant. Dies würde langfristig zu weniger Abhängigkeit führen. Auch die neue PV-Anlage in Beuren und die geplante Anlage in Bohlingen sind hier beispielhaft anzuführen.
Handel und Industrie
Seit der Coronakrise und nun dem Ukrainekrieg ist es zu einer massiven Belastung für unseren Einzelhandel, die Gastronomie aber auch für die Industrie gekommen. Die Lieferengpässe und die hohen Energiekosten haben viele Betriebe teilweise in eine existentielle Not oder sogar leider zum Aufgeben gezwungen. Als Stadt haben wir trotz der Krise noch enorme Gewerbesteuereinnahmen erzielt, was die Handlungsfähigkeit unserer Kommune noch sicherstellt.
Ich warne, wie in den Jahren zuvor, sich hier im Gremium Gedanken über eine Gewerbesteuererhöhung zumachen. Das wäre ein falsches Signal in dieser Zeit und für die Betriebe eine zusätzliche Belastung. Wir als Stadt sollten den Betrieben auch bei Neuansiedlungen oder Erweiterungen den roten Teppich ausrollen und nicht wie gelegentlich mit übertriebenen auslegungsfähigen Vorgaben das Leben unnötig schwermachen.
Stellvertretend für alle Baumaßnahmen möchte ich das Gewerbegebiet Tiefenreute anführen. Wir müssen hier zügig zu einer für alle Beteiligten, vor allem auch der Investoren, zufriedenstellenden Lösung kommen, da es ansonsten zu Abwanderungen in die umliegenden Kommunen kommt, was leider teilweise schon der Fall ist.
Der Fachkräftemangel ist zwischenzeitlich in allen Bereichen der Gesellschaft angekommen und dies spürbar für uns alle. In einer Gesellschaft mit über 5 Millionen Empfängern von Transferleistungen ist dies eine Kapitulation des Staates. Wir müssen alle dazu beitragen, das jede und jeder Bürger dieser Gesellschaft seinen Teil zum Gelingen beiträgt. Die vielen Migranten sollten dringend in den Arbeitsmarkt integriert werden. Nur so ist ein Vermitteln von Werten und eine gelingende Integration möglich.
Auch in den kommunalen Verwaltungen wird es zunehmend schwierig Personal zu finden. Hier muss man konstatieren, das auch der Staat und die Kommunen ihren Workflow dringend überdenken müssen, um auch in dieser Situation die Leistungsfähigkeit des Staates zu gewährleisten. Ich zitiere hier die Chefin des Institutes für Demoskopie in Allensbach: „Die Leistungsfähigkeit des Staates hält mit der Leistungsfähigkeit der Wirtschaft nicht mehr mit“. Dies bedeutet auch eine dringende und seit Jahren versprochene Entbürokratisierung. Wenn ich im Verwaltungs- und Finanzausschuss gehört habe, dass für jede einzelne Schule ein Medienentwicklungsplan und für jede Schule separat Fördergelder mit aufwendigen Anträgen gestellt werden müssen, anstatt der Stadt als Schulträger einen berechneten Gesamtbetrag nach Anzahl der Schüler und Schulformen zur Selbstverwaltung zukommen zu lassen, sind wir noch weit davon entfernt effektiv und ressourcenschonend zu arbeiten.
Kultur und Tourismus
Der Hegau ist eine beliebte Tourismusregion, das haben wir vor allem auch in den letzten Jahren in der Pandemie erlebt. Damit dies so bleibt sind wir für den Ausbau unserer touristischen Einrichtungen und Angebote. Die nach Jahren der Planung nun endlich aufgestellte Webkamera auf dem Hohentwiel ist ein weiterer wichtiger Baustein, nichtsdestotrotz müssen wir aufpassen, dass das Land die kulturellen Feste auf unserem Hausberg nicht weiter einschränkt. Die Kulturszene hat in den letzten beiden Jahren der Pandemie schwer gelitten und kommt langsam wieder in Schwung. Dies muss weiterhin unterstützt und kritisch begleitet werden, damit unsere Häuser wieder voll werden. Wir wünschen uns nach der Pandemie wieder unser Stadtfest, Weinfest und den Weihnachtsmarkt auf dem Rathausplatz zurück. Unsere soziokulturellen Einrichtungen sind gut aufgestellt und erfordern eine sorgsame Weiterentwicklung bzw. den Ausbau an zentraler Stelle.
Die CDU-Fraktion war für den Wiederaufbau der Scheffelhalle von Anfang an. Wir freuen uns, dass die Planungen nun soweit fortgeschritten sind, dass die Halle dann auch zum 100- jährigen
Bestehen im Jahre 2025 bezugsfertig ist. Weitere Verzögerungen müssen dringend verhindert werden.
Zusammenfassend stelle ich für meine Fraktion fest:
Wir die CDU-Fraktion, und das können Sie unseren Ausführungen entnehmen, arbeiten aktuell und auch im Blick auf die Zukunft zum Wohle der Stadt.
Und das tun wir ehrenamtlich mit hohem Zeiteinsatz und Engagement. Viele Wünsche werden auch im kommenden Haushalt und die kommenden Jahre Wunsch bleiben. Die Stadt Singen ist sich ihrer hohen Verantwortung bewusst und investiert in diesem Jahr nochmals über 20 Millionen Euro.
Ich möchte mit einem Zitat schließen.
Die Zukunft hat viele Namen: Für Schwache ist sie das
Unerreichbare, für die Furchtsamen das Unbekannte, für die
Mutigen die Chance.
– Victor Hugo (französischer Poet und Politiker)
Nutzen wir die Chance und gehen mit Mut und Zuversicht in das kommende Jahr 2023
Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit
Franz Hirschle
für die CDU-Fraktion